AT, PMR, Achtsamkeit

 

In den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts 
entwickelte der Psychologe Edmund Jacobson in
den USA die Methode der Progressiven Muskelentspannung. Er beobachtete bei seinen Patienten einen direkten Zusammenhang zwischen
 emotionaler Verfassung bzw. Erregung, psychischen Traumata und der Muskelspannung.

Permanente geistig-emotionale Anspannung führt zu 
Verspannungen in der Muskulatur, was langfristig
 zu Verhärtungen und Schmerzen führt und 
umgekehrt wiederum Einfluss auf die psychische
 Befindlichkeit hat. Um diesen Teufelskreis zu
 durchbrechen, setzt die Progressive Muskelentspannung auf der körperlichen Ebene an. Der
 Übende lernt klar umschriebene 
Muskelgruppen bewusst anzuspannen und zu
 entspannen. Bei fortgesetzter Durchführung werden nicht nur die verhärteten Muskelgruppen 
aufgeweicht, sondern auch auf der psychischen 
Ebene setzt eine Entspannung ein.

Autogenes Training und Progressive Muskelent
spannung werden vornehmlich in der Verhaltens
therapie und im Stressmanagement eingesetzt
. Weniger die körperliche Fitness als vielmehr den 
mentalen Ausgleich und die Autosuggestion hatte
 der Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz im
 Sinn, als er in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts das Autogene Training entwickelte.

Er machte sich dabei eine Erkenntnis der Hypno
setherapie zunutze, die bereits im 18. Jahrhundert
 entwickelt worden war und mit der Schultz
 beruflich stark verbunden war: Man hatte festgestellt, dass Menschen einen Zustand tiefster 
Entspannung und auch Änderungen der körperlichen Befindlichkeit alleine durch die Vorstel
lungskraft hervorrufen können. Suggestionen
 waren und sind aber nur dann erfolgreich, wenn
 der Patient sie annehmen kann. Schultz legte
 einige Formeln fest, die bei mehrfacher Wiederholung durch den Übenden ein Körpergefühl
 auslösen sollen, das als angenehm empfunden
wird und mit einer tiefen Entspannung einher
geht. Die Formel „Mein rechter Arm ist schwer“ beispielsweise führt bei mehrfacher Wiederholung zur subjektiven Wahrnehmung von Schwere
 im besagten Körperteil.

In der Unterstufe des Autogenen Trainings Iernt
 man u. a. durch die Wahrnehmung von Schwere 
und Wärme die Muskulatur zu entspannen, in
 der Mittelstufe helfen weitere Formeln Einfluss
auf das vegetative Nervensystern zu nehmen; sie steuern Atmung. Herzschlag und andere Organ
funktionen. Die Oberstufe hat eine größere therapeutische Ausrichtung und beschäftigt sich
mehr mit der positiven Beeinflussung psychischer
 Faktoren. Autogenes Training wird vor allem 
im Stressmanagement und in der Behandlung psychosomatischer Erkrankungen eingesetzt.

In den letzten Jahren zeichnet sich ein Trend ab, Übungsansätze alter Techniken (Yoga, Qigong, 
buddhistische Meditation) vermehrt in therapeu
tische Konzepte einfließen zu lassen. Zwei Vertre
ter dieser neuen Richtung sind Herbert Benson 
und Jon Kabat-Zinn, beide arbeiten und forschen 
in den USA.

In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts 
erforschte der amerikanische Arzt Herbert
 Benson die Zusammenhänge zwischen psychi
scher Anspannung und der Auswirkung auf den 
Blutdruck. Sein Interesse galt dabei besonders
 mentalen Techniken, mit denen eine Veränderung
 organischer Vorgänge beim Menschen willentlich 
herbeigeführt werden kann.
 Eine solche Methode konnte sich gerade zur Minderung stressbedingter Symptome, wie Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und weiterer Befindlichkeitsstörungen, positiv einsetzen lassen.

Auch heute 
reagiert der Mensch noch genau so wie seine 
frühen Vorfahren auf Gefahren, nämlich mit dem
 Flucht-oder-Kampf-Reflex – ein Reflex, der in 
Sekundenbruchteilen über Flucht oder Kampf 
entschied und immer noch entscheidet. Nähert 
sich eine Gefahr oder wird sie akut, findet durch 
die Reizung bestimmter Hirnareale neben einigen
 anderen Reaktionen eine rasche Veränderung der 
Muskelspannung statt. Adrenalin wird freigesetzt 
und Herzschlagfrequenz und Blutdruck werden 
erhöht. Die moderne Lebens- und Arbeitsweise erlaubt es uns jedoch nicht unbedingt, in solchen
 Situationen vom Arbeitsplatz zu fliehen oder mit
 kämpferischen Aktionen zu reagieren, um die 
körperliche und geistige Anspannung zu entladen.
 Stresssymptome, wie Gereiztheit, Missstimmung, Müdigkeit, Panikattacken usw., können die Folge 
einer fortgesetzten Anspannung und Unterdrückung dieser Gefühle sein.

Benson fand heraus, dass in fast allen von ihm
 untersuchten Kulturen Rituale bzw. Übungstech
niken bekannt sind, die eine Reaktion im Organismus hervorrufen, die er Relaxation Res
ponse nannte – eine bewusst hervorgerufene
 Entspannungsreaktion auf der mentalen und kör
perlichen Ebene.
 Die wesentlichen und wirkungsvollen Elemente,
 die zu einer tiefen Entspannung führen, waren 
stets gleich: kontrollierte Tiefenatmung und
 Fokussierung der Gedanken, z. B. durch die
permanente Wiederholung eines Wortes, 
einer Phrase oder auch nur eines Tons.
 In Verbindung mit gezielten körperlichen Übun
gen konnte dieser Effekt noch gesteigert werden. Die Relaxation Response wird vor allem im
 Stressmanagement und bei der Behandlung 
psychosomatischer Beschwerdebilder eingesetzt.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Jon Kabat-Zinn.
 Mit dem Konzept der MBSR (Mindfulness-Based 
Stress Reduction), einer achtsamkeitsbasierten Therapie, wird ein Ansatz verfolgt, der seine Wurzeln in der buddhistischen Meditation hat. Seit
 1979 wird MBSR in der Stress Reduction Clinic
 der Universität von Massachusetts als Therapieform mit Erfolg eingesetzt.
 Es geht, vereinfacht ausgedrückt, darum, bewusst 
und aufmerksam sich selbst, das eigene Handeln,
 Denken und Fühlen zu beobachten – ohne es 
zu bewerten. Es wird kein Unterschied zwischen
 angenehm und unangenehm gemacht; Empfin
dungen und Wahrnehmungen werden weder
 verdrängt noch verstärkt.
Jeder weiß, wie sehr man sich im Alltag von allen möglichen Nebensächlichkeiten ablenken lässt.
 Während man telefoniert, läuft nebenher das
 Radio, man beißt mal eben in ein Brot und denkt
 vielleicht auch noch daran, was nach diesem 
Telefonat noch alles zu erledigen sein wird.
 Kabat-Zinn nennt diesen Zustand den Autopilo
tenmodus. In diesem Zustand reagieren wir auf
 Anforderungen nicht der Situation angemessen
 und flexibel, sondern mit automatisierten, unreflektierten Verhaltensmustern.
 Beim achtsamkeitsbasierten Training steht der
 Gedanke im Vordergrund, persönliches Handeln 
als fördernd und hilfreich für sich und die eigene
 Umgebung einzusetzen, ohne sich von unreflektierten, spontanen Reaktionen leiten zu lassen.
 Wenn das Denken und Fühlen solchermaßen 
bewusst wahrgenommen wird, wenn die Verbin
dung zwischen Innen und Außen achtsam wahrgenommen wird, wächst auch die Fähigkeit, Bedürfnisse und Erfordernisse besser zu erkennen und anzunehmen.

Bücher
Kabat-Zinn, Jon

Mindfulness for Beginners: Reclaiming the Present Moment And Your Life
Benson, Herbert / Proctor, William

Beyond the Relaxation Response: How to Harness the Healing Power of Your Personal Beliefs